Bidirektionales Laden kann den Ausbau der Erneuerbaren Energien unterstützen
In einem Forschungsprojekt im Green Energy Lab wird untersucht und demonstriert, wie sich das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen umsetzen lässt. Georg Lettner, Project Manager an der TU Wien, Institute of Energy Systems and Electrical Drives, Energy Economics Group (EEG), erklärt im Interview, wie das bidirektionale Laden in Haushalten mit PV-Anlage genutzt werden kann und künftig das Stromnetz entlasten könnte.
Georg Lettner, Projektleiter Car2Flex (Foto: Green Energy Lab / Stephanie Weinhappel)
Was ist die bidirektionale Elektromobilität und welche Vorteile könnte die Anwendung bringen?
Georg Lettner: Jeder kennt die herkömmliche E-Mobilität, die das Fahren mit Strom aus einem Akku ermöglicht. Wir wollen aber diesen Speicher, der im Elektroauto verbaut ist, auch anderweitig nutzen. Beispielsweise durch Entladen zu Hause, um Stromlastspitzen abzudecken. So kann ich in einem Eigenheim mit Photovoltaik-Anlage (PV) etwa auch den Abend- oder Nachtverbrauch decken. Andererseits dient das bidirektionale Laden auch der Versorgungssicherheit: Falls es einmal zu einem Stromausfall oder einer längeren Unterbrechung der Stromversorgung kommt, kann das Haus mit der Batterie des E-Fahrzeugs versorgt werden. Und im Alltag kann ich den Eigenverbrauch aus meiner PV-Anlage damit steigern. All das wird zusammengefasst unter dem Begriff „Vehicle-2-Home“-Anwendungen.
Durch gesteuertes Laden und Entladen ins Netz kann ich aber auch das gesamte Stromsystem unterstützen – das wäre der „Vehicle-2-Grid“-Ansatz.
Beim Vehicle-2-Home-Ansatz habe ich also beispielsweise eine PV-Anlage am Dach und benutze das E-Fahrzeug als Pufferspeicher?
Ja genau. Viele Haushalte mit PV-Anlage haben dafür einen stationären Stromspeicher. Den benötige ich dann nicht mehr, denn das Auto übernimmt – wenn es zu Hause ist – diese Anwendung.
Und was ist der Vehicle-2-Grid-Ansatz im Zusammenhang mit dem bidirektionalen Laden?
Damit kann ich den Strom aus der Fahrzeugbatterie auch ins allgemeine Netz einspeisen. Manchmal haben wir über den Tag gesehen zu wenig Stromerzeugung, um momentane Verbrauchsspitzen abzudecken. Es kommt also zu kurzfristigen Engpässen auf der Verbraucherseite. In Zukunft können wir dann den Strom aus den Fahrzeugbatterien nutzen, um den fehlenden Strom auszugleichen und brauchen dazu keine großen fossilen Kraftwerke in Betrieb zu setzen.
Wenn man sich jetzt die gewaltigen Dimensionen des Stromnetzes vorstellt, dann wird ein einzelnes Elektrofahrzeug aber vermutlich nicht reichen, um das Stromnetz zu stabilisieren, oder?
Genau, so ist es. In unserem Projekt entwickeln wir nur die ersten Ansätze und wir werden das auch an zwölf verschiedenen Standorten testen. Aber es braucht im Endausbau dann schon viele tausend Autos, um den Vehicle-2-Grid-Ansatz auch effektiv für das Stromsystem umzusetzen.
Und wie will man diese E-Autos entsprechend bündeln und die Be- und Entladung kontrolliert steuern? Wer soll das übernehmen, der Netzbetreiber, das Energieversorgungsunternehmen oder der Fahrzeugbetreiber selbst?
Prinzipiell wird es so sein, dass die Steuerung durch Unternehmen erfolgt, die entsprechende Plattformen betreiben und auch das Energiemanagement anbieten. Damit kann ich dann als Endkunde das Energiemanagement meines gesamten Haushalts inklusive PV-Anlage und Wärmepumpenmanagement selbst betreiben und steuern. Das System hat aber eine Schnittstelle zum Netzbetreiber und dieser sendet im Notfall, wenn es im Netz zu Engpässen kommt, ein entsprechendes Signal. Sofern der Nutzer zustimmt, an diesem System teilzunehmen, wird die Batterie automatisiert be- oder entladen und er muss sich um nichts weiter kümmern – außer, dass das Fahrzeug natürlich angesteckt sein muss.
Das wird vermutlich vollautomatisiert passieren, oder? Der Nutzer muss doch aber ein Zeitfenster definieren können, in dem er das Auto vollgeladen zur Verfügung haben will.
Ja, man muss natürlich wissen, wie lange die Batterien am Netz sind und welchen Restladezustand der Kunde unbedingt benötigt. Für die Testanwendung im Rahmen des Projekts Car2Flex gibt es dazu eine App unseres Plattformbetreibers. Dort kann ich als Nutzer einstellen, wann ich wieder wegfahren möchte und welche Reichweite im Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch zur Verfügung stehen muss. Dies wird vom System sichergestellt. Dazwischen wird die Fahrzeugbatterie entweder geladen oder auch für eigene Heimanwendungen oder für das Netz entladen.
Warum sollte ein Fahrzeugnutzer seine Antriebsbatterie dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen? Reiner Idealismus dürfte dafür vermutlich nicht ausreichend sein, vor allem, wenn man an große Flottenbetreiber denkt. Welche Anreize braucht es dafür?
Aktuell ist es noch schwierig die „Preise“ dieses neuen „Flexibilitätsmarkts“ für Verteilnetzbetreiber zu bewerten. Natürlich muss zumindest die Abnutzung der Batterie abgegolten werden und jeder will auch noch etwas verdienen.
Das Forschungsprojekt Car2Flex
Das Leitprojekt Car2Flex befasst sich im Rahmen der Forschungsinitiative Green Energy Lab mit dem bidirektionalen Laden und drei verschiedenen Anwendergruppen der Elektromobilität: Privatnutzer:innen, E-Fahrzeugflotten und E-Car-Sharing in Mehrparteienwohnhäusern. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie – entsprechend der Mobilitätsbedürfnisse der jeweiligen Gruppen – der steigende Anteil von E-Mobilität ideal ins Energiesystem zu integrieren ist. Mit bidirektionalen Ladesäulen kann man nicht nur Strom in die Antriebsbatterien laden, sondern auch wieder daraus beziehen. Damit lässt sich das Auto beispielsweise als Zwischenspeicher für Privathaushalte mit PV-Anlagen verwenden. Werden die Kapazitäten großer E-Flotten gebündelt, könnte dies auch zur Stabilisierung des Stromnetzes dienen. Erklärt wird dies im folgenden Video:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Das Projekt Car2Flex wird vom Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen der FTI-Initiative Vorzeigeregion Energie umgesetzt.
Kontakt
Ludwig Fliesser
Communications Manager
T: +43 676 47 19 347
E: ludwig.fliesser@greenenergylab.at