Bundesministerin Leonore Gewessler im Interview
Die Klimaschutzministerin spricht im Green Energy Lab-Interview über die aktuellen Schritte und Maßnahmen, um die Energieversorgung in Österreich sicherzustellen.
Frau Ministerin, welche Schritte sind nun wichtig, um die Energieversorgung in Österreich sicher zu stellen, in Anbetracht der derzeitigen angespannten Energiesituation?
LG: Die Lage unserer Energieversorgung ist angespannt. Das zeigen die Entwicklungen in Russland und in unseren Nachbarländern ganz deutlich.
Es muss uns in dieser Situation allen eines klar sein: Wir müssen uns auf das Worst-Case-Szenario vorbereiten. Denn Russland ist kein verlässlicher Partner.
Umso wichtiger ist, dass wir vorsorgen und uns vorbereiten. Wir machen das, indem wir für volle Gasspeicher sorgen, gleichzeitig auf nicht-russisches Gas setzen und die Energiewende konsequent voranbringen.
Das reduziert unsere akute Abhängigkeit von Russland und beendet langfristig unsere Abhängigkeit von fossilen Energien. Nur wenn wir Erneuerbare Energien so schnell wie möglich ausbauen, können wir uns aus der Erpressbarkeit befreien und unsere Freiheit und Unabhängigkeit in der Energieversorgung sichern. Windparks sind dabei ein ganz wesentlicher Baustein. „Windrad ja, aber nicht bei uns“, geht sich nicht mehr aus. Es braucht wirklich einen gemeinsamen Kraftakt auf allen Ebenen, von uns allen, für uns alle.
Der Klima- und Energiefonds und das Green Energy Lab als Teil der „Vorzeigeregionen Energie“ sind dabei wichtige Partner, die wertvolle Unterstützung leisten und unter anderem an Lösungen für ein fossilfreies Energie- und Verkehrssystem arbeiten.
Welche Maßnahmen sind für Österreich aktuell zentral?
LG: Damit wir uns aus der Abhängigkeit von Gas befreien, müssen wir jetzt mit aller Kraft raus den fossilen Energien und rein in die erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse. Denn jedes aufgestellte Windrad, jede installierte PV-Anlage, ist ein Zeichen für unsere Freiheit und jede Gastherme, die wir ausbauen, ist ein Schritt in unsere Unabhängigkeit.
Im Strombereich sind wir in Österreich schon sehr gut aufgestellt. Mit dem Erneuerbaren Ausbau Gesetz haben wir unser Gesetz für die Energiewende auf den Weg gebracht. Wir werden bis 2030 nur mehr Strom aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse beziehen. Das ist gut fürs Klima und hilft uns dabei, unabhängig zu werden.
Wie wichtig sind Innovationen für die Energiewende?
LG: Die aktuelle Situation in Europa zeigt deutlich, dass Klimapolitik, Energieversorgungssicherheit und Standort- und Innovationspolitik Hand in Hand gehen müssen. Innovation und Forschung treiben die Energiewende wesentlich voran – hier werden Lösungen für offene Fragen gefunden und Effizienzsteigerungen erzielt. Gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten sind staatliche Investitionen in Zukunftsthemen essentiell. Wir haben das bereits mit dem Klimakonjunkturpaket während der Pandemie gezeigt, dass Forschung und Innovation in schwierigen Zeiten gestärkt werden müssen. Dies gilt für die jetzige Situation natürlich genauso.
Gibt es auch weitere Maßnahmen, die Sie als zusätzliche Schritte planen, um die Versorgungsresilienz zu unterstützen?
LG: Energie ist kostbar. Das hat der schreckliche Ukraine-Krieg mit seinen Auswirkungen auf die heimische Gasversorgung einmal mehr deutlich vor Augen geführt. Energiesparen macht an jedem Tag im Jahr Sinn, es ist gut fürs Klima und entlastet die Geldbörse. Aber jetzt hilft es dreifach. Jeden nicht-verbrauchten Kubikmeter Gas können wir einspeichern und so bringt er uns im Ernstfall länger über schwierige Zeiten. Um Österreich gezielt auf die kommende Heizsaison (Oktober 2022 bis inkl. März 2023) vorzubereiten, arbeiten wir an einer Energiesparkampagne. Sie soll im September starten. Der Schwerpunkt wird dabei klar auf dem Gasverbrauch liegen, aber es soll auch über andere Bereiche informiert werden. Wir wollen die Aufmerksamkeit für das Thema noch mal erhöhen und mit Tipps, Hinweisen und einfach umsetzbaren Beispielen Energiesparen so leicht wie möglich machen – und zwar für alle Bereiche – in den Unternehmen genauso wie in den privaten Haushalten.
Welche Energiespartipps zum Beispiel?
LG: Es sind Kleinigkeiten, die einen Unterschied machen, so banal sie klingen mögen: Deckel auf den Topf beim Kochen, beim Autofahren das Tempo reduzieren, die Waschmaschine anfüllen und im Herbst den Heizkörper frei räumen und die Raumtemperatur um einen oder zwei Grad runter drehen, wenn möglich. Im Sommer kann man sich vorbereiten, indem man die Therme warten lässt, die Heizkörper entlüftet oder das Heizsystem gut einstellt. Wir müssen raus aus russischem Gas und gemeinsam schaffen wir das auch. Das klingt im Einzelnen nach kleinen Maßnahmen. In Summe macht das aber einen großen Unterschied, auch für die eigene Geldbörse.
Welche Rolle können Vorzeigeregionen wie das Green Energy Lab spielen?
LG: Wir müssen die Transformation der Industrie und Wirtschaft vom Anfang bis zum Ende denken – von der Forschung bis hin zur großflächigen Prozessumstellung. Hier spielen die Vorzeigeregionen, die F&E Anwendungen in der Praxis demonstrieren, eine wesentliche Rolle. Sie zeigen in vergleichsweise kleinem Rahmen vor, wie die Dekarbonisierung im großen Aussehen kann. Genau diese Erprobung braucht es, um die Energiewende erfolgreich zu meistern.
Frau Ministerin, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. Hätten Sie noch einen Ratschlag für Green Energy Lab? Etwas, was wir mitnehmen könnten?
LG: Mich freut sehr, dass das Green Energy Lab wunderbar zeigt, wie es geht und deutlich macht: 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung ist möglich. Von Zukunftsmusik kann hier in vielen Bereichen wirklich nicht mehr die Rede sein und man kann schon heute sagen: Es hat sich ausgezahlt. Bleiben wir also dran und entwickeln wir diese Erfolgsgeschichte gemeinsam weiter.