Interview mit Christiane Varga

Wie kann man den Menschen die Angst vor den Veränderungen der Zukunft nehmen und wie könnte diese aussehen? Zu diesen und weiteren Fragen stand uns die Zukunftsforscherin Christiane Varga Rede und Antwort.

Q: Warum haben in der heutigen Zeit immer mehr Menschen Angst vor der Zukunft und den Veränderungen, die sie mit sich bringt?

A: Dass wir Angst vor der Zukunft haben, ist in uns angelegt. Dass die Angst besonders groß ist in Bezug auf eine Zukunft, die so ungewiss ist, wie nie zuvor, ist verständlich. Das war in den letzten Jahren nicht so, da konnte man noch eher planen und ungefähr erahnen in welche Richtung es geht.

Q: Wie kann man den Menschen diese Angst nehmen?

A: Erstmal in dem man anerkennt, dass diese Angst ganz normal und verständlich ist, gerade in so einer Phase des Umbruchs. Ich glaube, dass wir wirklich viel mehr kommunizieren sollten, dass das eben in Ordnung ist und verständlich. Es ist daher wichtig, um nicht in eine Schockstarre zu verfallen oder eine Aggression aufzubauen, was sich gerade in der sehr gespaltenen Gesellschaft widerspiegelt, dass man sagt: „Wie könnte es jetzt weitergehen“, wirklich Schritt für Schritt und diesbezüglich bin ich immer eine große Freundin davon, die Sachen wirklich herunterzubrechen und zu sehen was konkret als Nächstes ansteht. Gleichzeitig sollte man von irgendeiner Zukunft ausgehend ein Bild zeichnen, auf das man sich hinbewegen kann. Man kann Vision dazu sagen, das hat immer so einen komischen Beigeschmack, aber es ist wirklich ein Bild von einem besseren Morgen, in welchem die Leute einen Orientierungspunkt haben und wieder eine Idee bekommen, wie könnte es denn in Zukunft aussehen.

Q: Warum fehlt es den Menschen derzeit an einer solchen Vision?

A: Ich denke es fehlt im Moment, dass keiner so richtig weiß, wie sieht es aus, wie leben wir, wie arbeiten wir und wie wohnen wir in Zukunft. Das gilt es konkreter zu zeichnen und selbst wenn sich das dann irgendwie auch mal verändert im Laufe des Weges ist dies auch vollkommen in Ordnung, aber so einen Leuchtturm, einen Fixpunkt zu haben ist glaube ich nicht schlecht.

Q: Wie sieht ihre Vision für die Zukunft aus?

A: Ich denke, dass, wenn alte Strukturen aufbrechen, so wie das jetzt der Fall ist, Leerstellen entstehen und diese Leerstellen können jetzt neu gefüllt werden und müssen sogar neu gefüllt werden. Das ist aus meiner Sicht erstmalig in der Menschheitsgeschichte. Ich denke, dass die Zukunft im besten Fall viel grüner sein wird, als wir uns das immer vorgestellt haben. Science-Fiction-Vorstellungen sind oft so technoid, aber wir sehen jetzt schon, dass Holz auch in Städten Einzug erhält, dass Holzhochhäuser durch neue Technologien möglich sind, dass das Grüne, die Natur, auch viel mehr Einzug erhält. Hier sehen wir ein schönes Prinzip: Jeder Trend hat einen Gegentrend. Also je digitaler alles wird, desto wichtiger wird auch wieder das Analoge und die reale Begegnung, wie wir es derzeit auch merken und deswegen ist das meine Zukunftsvision, dass die Zukunft grüner, menschlicher und handgreiflicher wird und das Digitale einfach gut unterstützt, aber nicht so dominant ist wie heute.

Q: Sie haben das Stichwort Digitalisierung angesprochen. Welche Rolle spielt diese in ihrer Vision?

A: Ein Vorteil von digitalen Medien ist es, dass viele Menschen daran teilhaben können und es auch wollen und deswegen ist meine Vision jetzt eigentlich erstmal in der Gegenwart: Das viele Akteur:innen zusammenarbeiten und man wirklich mal schaut, was die Bedürfnisse heute und in Zukunft sind, was brauchen die Menschen denn wirklich ganz konkret in ihrer Umgebung und man dann gemeinsam Architektur neu denkt, Räume neu denkt und auch die digitale Architektur dabei miteinbezieht, auf eine sinnvolle Art und Weise. Wie können wir ein Leben gestalten, in dem die Kinder natürlich souverän mit den digitalen Medien umgehen können, aber wieder viel mehr herausgehen und dabei die Natur entdecken können und ähnliches. Es gilt gemeinsam zuerst eine Bestandsaufnahme zu machen und dann zu schauen wie können wir die Zukunft gemeinsam gut gestalten.

Q: Der Umgang mit der Digitalisierung ist also durchaus komplex. Die Digitalisierung nimmt einen immer größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft ein. Wie sollten wir mit ihr richtig umgehen?

A: Digitalisierung ein riesiger Begriff ist und es ist wichtig zu unterscheiden aus welcher Perspektive man sie betrachtet, was man unter diesem Begriff versteht oder welchen der vielen Teilbereiche man meint. Es ist unbestritten, dass das Digitale als Infrastruktur Dinge unterstützen kann, dass sie das Leben leichter macht, auch von Unternehmen, das Personalisierung auch sinnvoll sein kann und so weiter, aber dass sie eben kein Selbstzweck werden sollte. Deswegen finde ich es schön auch mal den Begriff Modernisierung zu verwenden, denn Digitalisierung steht meist an erster Stelle und ihr fügt sich alles. Bei der Modernisierung spielen auch andere Faktoren mit hinein. Sie zeigt ganz schön, es steht und fällt nicht alles mit der Digitalisierung, sondern diese ist ein Teil davon. Dies führt mich dann auch zu ihrer Frage, dass man dann sagt „Ja, Digitalisierung ist ein technologischer Prozess, da ist wahnsinnig viel möglich, tolle Dinge, keine Frage, aber es ist auch ein sozialer Prozess“. Diese Betrachtungsweise ist noch viel zu selten.

Q: Ist dies nicht auch eine Frage der Generation? Man könnte sagen, mit den anstehenden Veränderungen tut sich die junge Generation leichter als die ältere. Wie schafft man es auch diese ins Boot zu holen?

A: Ich denke tatsächlich, dass wir generationsunabhängig noch relativ am Anfang stehen, also, dass wir anstatt von einer digitalen Revolution hier eher von einer digitalen Evolution sprechen sollten, an deren Anfang wir noch stehen. Die digitale Revolution ist das, was das Unternehmen oder die Branchen aushebelt, aber die Evolution ist dieser soziale Prozess. Junge Menschen haben eher Zugang zu ihrem Smartphone und können Dinge leichter bedienen, aber haben sie wirklich eine Ahnung was dahintersteckt, was das System ist? Meiner Meinung nach sind die ganzen Geräte, Apple und Co., danach ausgelegt benutzerfreundlich zu sein. Man hat einfach nur noch eine schöne Oberfläche, wischt umher, aber die Technologie, die dahintersteckt, ist auch jüngeren Menschen oft nicht bekannt oder sie reflektieren dies auch nicht. Deswegen würde ich die Lücke zwischen den Generationen gar nicht so groß sehen. Natürlich hängt das jetzt davon ab, von welchen alten Menschen wir sprechen. 70-Jährige gelten heutzutage gar nicht mehr als alt. Sie haben auch schon oft einen guten Zugang, das hat sich verändert und wird es auch in Zukunft. 80-Jährigen sollte man die Digitalisierung natürlich auch irgendwie erklären, sofern es noch geht, denn für sie ist es oft eine ganz fremde Welt. Ich halte es schon für wichtig, dass man diese Personen auch mit hineinholt.

Q: Welche Rolle spielt hierbei das Thema Datenschutz?

A: Das Thema Datenschutz wird noch so stark kommen in nächster Zeit, weil da viele Dinge aufgedeckt werden, die jetzt noch im Verborgenen liegen. Die Menschen wollen zu diesem Thema immer mehr wissen: „Was hat es damit auf sich und wo sind meine sehr wertvollen Daten, die ich einfach verschenke, oft auch unbewusst?“ Natürlich ist es auch die eigene Schuld vieler Menschen, wenn sie überall Dinge posten, aber gleichzeitig ist es nun mal auch so, dass moderne Smartphones permanent getrackt werden und so weiter. Es handelt sich also um ein sehr großes Feld, das auch von der Politik, auch auf europäischer und globaler Ebene, wenngleich es unterschiedliche Gesetzeslagen gibt, besprochen werden sollte und es auch noch viel Aufklärung bedarf.

Q: Frau Varga, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben!  Zum Schluss noch ein paar abschließende Worte an Green Energy Lab?

Die Projektpartner von Green Energy Lab sollen sich weiterhin stark dem Dialog mit den Bewohnern widmen und ihnen klarmachen, dass sie auch wirklich mitgestalten und mitsprechen können. Jetzt besteht die Möglichkeit, auch selbst ermächtigt zu handeln, so stark wie noch keine Zeit davor und das ist eine super Gelegenheit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Zu glauben, dass es eine Einzellösung gibt, ist falsch. Wichtig ist eher Netzwerk und Zusammenwirken, genau das, was Green Energy Lab im Grunde macht.

Christian Varga lebt in Wien und schreibt als Autorin Texte für Magazine, Studien für Organisationen und hält Vorträge rund um die Frage: „Wie leben wir in Zukunft?“