Meine Ortschaft ist meine Energiezelle

In sogenannten Energiezellen soll die lokal – in Siedlungen, Dörfern, Bezirken oder Stadtteilen – erzeugte Elektrizität mithilfe entsprechender Technologien vor allem auch lokal konsumiert oder gespeichert werden. Die ForscherInnen haben schon erste Ergebnisse zu zeigen.

Die Organisationsform der Energienetze soll sich in Zukunft grundlegend verändern. In sogenannten Energiezellen soll die lokal – in Siedlungen, Dörfern, Bezirken oder Stadtteilen – erzeugte Elektrizität mithilfe entsprechender Technologien vor allem auch lokal konsumiert oder gespeichert werden. Überschüsse werden dagegen an benachbarte Zellen abgegeben. Die Systematik soll nicht nur die Nutzung der erneuerbaren Energieformen vor Ort fördern, sondern auch für stabile und ausfallsichere Netze sorgen.

Doch der Weg zu einer großflächigen Umsetzung dieses Ansatzes ist noch weit. Verschiedenste Technologien müssen interagieren können, damit beispielsweise bei großem Sonnenstromangebot elektrisch beladbare Wärmespeicher in Haushalten aktiviert werden können. Es braucht intelligente Schalt- und Abrechnungstechnologien sowie auch die Bereitschaft der Bürger, sich solchen Netzeinheiten anzuschließen und somit externen Zugriff auf einen Teil der Haustechnik zu erlauben.

In dem vom Era-Net-Programm der EU unterstützten Projekt R2EC kooperieren Forschungsinstitutionen und Unternehmen in Norwegen, Belgien und Österreich miteinander, um den Weg in Richtung einer neuen Stromwirtschaft zu ebnen. Energiezellen werden dabei auf Basis realer Verbrauchsdaten simuliert, prototypische Technologieverbünde im Labormaßstab erprobt.

Eine Energiezelle könnte die Größe eines Stadtviertels oder einer kleineren Ortschaft haben. In dem Projekt geht man von einer Größenordnung von bis zu 200 Einfamilienhäusern.

Unterschiedliche Optimierungen

„Wir starteten mit dem aktuell gegebenen Stand der Technik in den Projektländern und schätzen anhand von nationalen und EU-Roadmaps ab, wie künftige Szenarien aussehen könnten – beispielsweise was die Durchdringung mit Photovoltaik oder intelligenter Steuerungs- und Speichertechnologie bis zum Jahr 2030 betrifft“, beschreibt Projektleiter Karthik Bhat vom FH Technikum Wien die Vorgehensweise.

Die Nutzerdaten über Art, Ausmaß und Verteilung des Strombedarfs kommen dabei aus der tatsächlichen, gegenwärtigen Praxis. Neben den Labordaten zu möglichen Technologiekonfigurationen und -schnittstellen fließen sozialwissenschaftliche Untersuchungen ein, die Nutzer- und Konsumverhalten sowie eine grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme an Energiezellen abfragen.

„All das hat uns geholfen, eine möglichst umfassende Simulationsarchitektur zu erschaffen „, betont Bhat. Damit konnten dann verschiedene Szenarien und Geschäftsmodelle durchgespielt werden, die sich jeweils unterschiedlichen Optimierungen widmen – etwa der Nutzung erneuerbarer Energie, hoher Netzstabilität oder anderer wirtschaftlicher, technischer oder sozialer Zielsetzungen.

Die ersten Ergebnisse der Simulationen zeigten eine starke Steigerung des individuellen Eigenverbrauchs (knapp 30 %) und auch des Eigenverbrauchs der gesamten Energiezelle (ca. 3 % Steigerung).

Eines der Ziele des Projekts ist es auch, einen Implementierungsleitfaden zu entwerfen. „Wir wollen Richtlinien für eine Umsetzung von Energiezellen bieten, in denen wir etwa auf optimale Technologien, den besten Mix an Verbrauchern und Speichern oder den lokal optimalen Anteil an erneuerbarer Energie eingehen“, erklärt Bhat. Das Projekt läuft bis Oktober 2022. In einem Folgeprojekt wäre auch die exemplarische Umsetzung in einer Pilotregion möglich.