Rückblick: Das Stromnetz für die Energiezukunft
Im Insight Talk skizzierten wir das Stromnetz von morgen: Zukunftsfit über die Digitalisierung hinaus.
Wie werden Technologien zur Digitalisierung vom Stromnetz genutzt? Was haben die relevanten Akteure, insbesondere Stromnetzbetreiber davon? Was sind Herausforderungen und Chancen? Kurz: Mit welchem Stromnetz in die Zukunft? Mit unserem Insight Talk haben wir diese Fragen mit Experten unter die Lupe genommen.
In der anschließenden Diskussion haben wir mit unseren Innovators die zwei folgenden Fragen diskutiert:
- Die Digitalisierung bringt für Unternehmen und deren MitarbeiterInnen neue Aufgaben und Rollen mit sich – Wie können diese möglichst effizient innerhalb der Unternehmen etabliert werden?
- Welche Mehrwerte müssen Unternehmen (z.B. Stromnetzbetreiber) erhalten, um den Einsatz digitaler Tools wie z.B. „digitale Zwillinge“ zu forcieren?
Die Entwicklungen im Strommnetz
Im ersten Beitrag skizzierte Wolfgang Gawlik von der TU Wien die letzten Entwicklungen des Stromnetzes. Digitaler, dezentraler und intelligenter wird das Netz werden. Doch das ganze System auf Gleichstrom umstellen, oder das Verbundsystem ganz durch dezentrale Anlagen und Speicher ersetzen, scheint vorerst weder möglich noch sinnvoll. Die bestehende zentrale Erzeugung und Verbundnetze werden jedenfalls für den saisonalen Ausgleich benötigt und sind durch Leistungen wie Frequenz- und Spannungshaltung, die – obgleich sie kein attraktives Geschäftsmodell darstellen – für die Versorgungsicherheit essenziell. Eine große Herausforderung, die dezentrale Systeme mit sich bringen, ist ihre höhere Komplexität. Beispielsweise können Blind- und Wirkleistung nicht mehr frei eingestellt werden, wodurch Erzeugungsanlagen öfters abgeworfen werden, was die Stabilität des Restsystems gefährden kann.
Als Fazit merkt der gelernte Elektroingenieur an: Wir brauchen nicht nur netzverträgliche und systemstützende Strukturen, sondern vor allem systembildende! Die ganze Präsentation hier.
Das Stromnetz fit für die Zukunft machen
Genau auf die oben genannten Herausforderungen liefert das Projekt Posycho Antworten – mit dem Ansatz eines „Softwareunterstützen Netzschutzes“. Helfried Brunner vom Austrian Institute of Technology teilte im Namen des Projektteams mit Alfred Einfalt von Siemens AG und Wolfgang Prüggler von der Moosmoar Energies OG das Gelernte aus dem Projekt. Als Startpunkt wurden Algorithmen entwickelt, um mittels Blindleistungs- und Netzlademanagement den Verteilernetzbetreibern erweiterte Funktionalitäten zu ermöglichen. Damit diese Lösungen jedoch sinnvoll eingesetzt werden können, wurde einerseits im Projekt ein IKT-Kommunikationsframework entwickelt, damit die Integration im bestehenden IT-System gewährleistet wird. Andererseits wurden auch neue Rollen und Workflows bei den Netzbetreibern untersucht, denn schließlich sind es die Menschen, die mit den Lösungen tagtäglich arbeiten sollen.
Ganz im Sinne des holistischen Ansatzes, der auch im Green Energy Lab verfolgt wird, wurde eindrucksvoll im Projekt demonstriert, wie technische Lösungen durch kluge Integration im bestehenden System mit Einbeziehung der Menschen erfolgreich und sinnvoll entwickelt werden. Die ganze Präsentation finden Sie hier.
Digitale Zwillinge für das intelligente Stromnetz
Wie genau Digitalisierung der Stromnetze funktionieren kann, zeigte Hans Peter Schwefel von GridData GmbH an praktischen Beispielen aus Dänemark und Deutschland von auf realen Daten basierenden sogenannten digitalen Zwillingen, also von täuschend echten digitalen Replika der bestehenden Systeme. Diese liefern die Grundlage für ein umfassendes Monitoring von Stromnetzen auf Basis bestehender Daten. Fehlende Daten werden durch Berechnungen ersetzt – und erspart so auch das Warten auf den Ausbau der Smart Meter – wodurch z.B. zuverlässige Auslastungsanalysen tatsächliche Verluste im Niederspannungsnetz erfassen und Anomalien bzw. Ineffizienzen erkennen. Hier sind Optimierungen von bis zu 70% Reduktion der Zeit für eine Ausfalldiagnose möglich.
Diese Technologie bietet die Gelegenheit, nicht nur historische Daten zu sammeln und zu visualisieren, und z.B. für eine transparente Netzplanung zu nutzen, sondern vor allem auch diese Daten miteinander zu vernetzen. Eindrucksvoll belegt der gelernte Informatiker das Optimierungspotenzial, z.B. einer Erhöhung der Effizienz von 10-20% in der Niederspannung oder einer deutlichen Reduktion des Netz-Investments. Mehr dazu in der Präsentation.
Die Digitalisierung in Unternehmen voranbringen
Zur Einführung der Digitalisierung ist es unabhängig der Unternehmensgröße wichtig, dass die zukünftigen AnwenderInnen und EntscheidungsträgerInnen rechtzeitig eingebunden werden und von der Vorteilhaftigkeit der etablierten Systeme überzeugt sind. Dabei kommt es auf den richtigen Zeitpunkt an, denn oftmals können Bedenken (z.B. „gläsernere MitarbeiterInnen“) zum sich ändernden Rollenbild der MitarbeiterInnen (v.a. in größeren Unternehmen, die auch Gewerkschaften haben) bestehen. Für die Umsetzung neuer Systeme sind genügend Raum und Zeit in der Unternehmensentwicklung einzuräumen und entsprechende Schnittstellen und Normen zu etablieren. In regulierten Unternehmen sind oftmals auch die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben im Vorfeld anzupassen.
Für Unternehmen ist es essentiell, durch den Einsatz digitaler Tools auch neue Services und Produkte am Markt platzieren und als Folge daraus auch ökonomische Vorteile generieren zu können. Dahingehend spielt der Zeitpunkt der Einführung eine wichtige Rolle, um z.B. gesellschaftlichen Trends rechtzeitig folgen zu können. Solche Trends können z.B. die Etablierung von automatisierten Abrechnungssystemen für Energiegemeinschaften oder auch andere Anreize / Informationssysteme für die unterschiedlichen Kundensegmente sein.
Durch den regen Austausch mit den TeilnehmerInnen war für ein dynamisches und interaktives Online-Event gesorgt.
Wir bedanken uns für das Interesse und freuen uns bereits auf den nächsten Green Energy Lab-Insight Talk!
Hier zur Aufnahme des Insight Talks