Versorgungssicherheit für Neudörfl

In der burgenländischen Marktgemeinde Neudörfl soll eine Energiegemeinschaft entstehen, die in hohem Maß auf Resilienz setzt. Für Krisen und Stromausfälle will man gewappnet sein. "DerStandard/Alois Pumhösl"

Ein großer Badesee, mehrere Buschenschanken und eine barocke Kirche auf einer Anhöhe prägen die Marktgemeinde Neudörfl im Burgenland, deren Gemeindegebiete an drei Seiten an Niederösterreich grenzt. Aus Wiener Neustadt, das nur einen Katzensprung entfernt ist, reisen viele Heurigenbesucherinnen und Heurigenbesucher an. Aber nicht nur der Wein ist hier ein Thema, Neudörfl ist auch ein Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Energieversorgung. Eine der Besonderheiten: Der hier ansässige Holzwerkstoffproduzent Fundermax betreibt eine Eigenstromerzeugung aus biogenen Abfällen. Die Abwärme dieser Anlage geht in das örtliche, vom Energieversorger Kelag betriebene Wärmenetz, das Häuser, Wohnungen und öffentliche Bauten im Ort versorgt. In Zeiten, in denen das Erdgas knapp und die Gasheizung teuer wird, ist das eine erstrebenswerte Lösung. Diese Nutzung vorhandener Ressourcen ist einer der Ausgangspunkte im Neudörfler Smart-City-Projekt RES² Community“, das für eine Gemeinschaft für Resilienz und erneuerbare Energien“ steht. Das Projekt findet im Rahmen von Green Energy Lab statt. Wissenschafter und Wissenschafterinnen der Forschung Burgenland, eines Tochterunternehmens der FH Burgenland, arbeiten hier mit der TU Wien und weiteren Partnerorganisationen an einer für den Ort maßgeschneiderten Energiegemeinschaft. Die regional erzeugte Energie soll dabei nicht nur vor Ort verbraucht werden, wie es zum Wesen der Energiegemeinschaften gehört. Die Forschenden setzen auch besondere Schwerpunkte.

Krisenvorsorge
Wir wollen keine Energiegemeinschaft von der Stange machen, sondern die Möglichkeiten des Modells ausloten“, berichtet Projektleiter Markus Puchegger von der Forschung Burgenland. Dazu gehöre zum einen die Frage, wie das Thema Wärmeenergie sinnvoll in das Konzept eingebunden werden kann.
Bisher beschränkten sich die Ansätze lediglich auf Elektrizität. Zum anderen soll ein Fokus auf Versorgungssicherheit im Krisenfall und Blackoutprävention liegen – Themen, die durch die Ukraine-Krise neue Aufmerksamkeit erfahren.“

Neudörfl ist nicht nur durch die nachhaltige Fernwärmelösung ein guter Kandidat für die Entwicklung einer neuen Art der Energiegemeinschaft. Das Potenzial für einen Ausbau von Sonnenkraftwerken – nicht nur auf Privathäusern, sondern etwa auch auf öffentlichen Gebäuden oder Industrieanlagen – ist hier besonders gut und soll im Rahmen des Projekts auch entsprechend genutzt werden.

Motivierte Bevölkerung
Puchegger hebt zudem das Engagement der lokalen Bevölkerung und der Marktgemeinde, die auch selbst Projektpartnerin ist, hervor: Bereits bei der ersten Informationsveranstaltung waren 120 Personen da – eine sehr hohe Zahl für ein Projekt dieser Art. Über 40 wollen dauerhaft mitarbeiten. Auch die öffentlichen Vertreter sind sehr engagiert.“ Teil des Projekts ist auch eine gezielte und proaktive Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern. Sie soll sicherstellen, dass Vorbehalte abgebaut werden und die Entwicklungsarbeit auch tatsächlich vorhandene Bedürfnisse anspricht.
Der Fokus auf Versorgungssicherheit bedeutet im Projekt, dass auf lokale Ausfälle oder Netzschwierigkeiten schnell reagiert werden soll. Gleichzeitig ist geplant, wichtige Infrastrukturen im Ort im Krisenfall besser zu schützen und ausfallsicherer zu machen, erklärt Puchegger. Gegen ein zweiwöchiges, europaweites Blackout können wir nicht viel ausrichten. Wir können aber dafür sorgen, dass beispielsweise das Gemeindezentrum, wo Hilfe im Krisenfall koordiniert werden würde, möglichst lange versorgt wird.“
Nicht nur Dieselaggregate, sondern auch Batteriespeicher spielen für die Sicherstellung eines Notstrombetriebs eine wichtige Rolle. Die Akkumulatoren können in der Energiegemeinschaft mehrere Aufgaben erfüllen, erläutert Puchegger: Im normalen Betrieb sorgt der Speicher dafür, dass überschüssige, lokal produzierte Energie zeitverzögert auch vor Ort verbraucht werden kann. Bei hoher Produktionsrate
kann eine schnell aktivierbare Einspeicherung das Netz stabilisieren. Bei Netzausfällen werden schließlich die kritischen Infrastrukturen durch die dort untergebrachten Speicher versorgt.
Auch das Miteinbeziehen des Wärmesektors erschließt eine Reihe von Möglichkeiten. Naheliegend ist, Stromüberschüsse, sofern vorhanden, für die Wärmeproduktion zu nutzen. Gerade in Hinblick auf die Versorgungssicherheit gibt es aber auch noch andere Möglichkeiten. In Wohnanlagen laufen die Umwälzpumpen, die das Heizungswasser im Gebäude verteilen, gewöhnlich mit elektrischem Strom. Bei einem Blackout fallen auch sie aus, und die Heizung bleibt kalt. Theoretisch könnte man im Rahmen der Energiegemeinschaft auch für diese Systeme ein Backup einrichten, um sie ausfallsicherer zu machen“, gibt Puchegger ein Beispiel. Letzten Endes geht es darum, für konkrete Situationen vor Ort maßgeschneiderte Lösungen zu finden.

Organisationsformen
Eine Aufgabe in dem 2021 angelaufenen Projekt ist es zudem, geeignete organisatorische Werkzeuge für das Zusammenspiel von Energiegemeinschaften, Energieversorgern und Industrieunternehmen zu finden. Energiegemeinschaften sind ein Instrument, das kleinere Konsumenten und Produzenten zusammenbringt, große Unternehmen können nicht teilnehmen. Dennoch sollten sie in diesem Fall in hohem Ausmaß mit der Energiegemeinschaft interagieren.
Das Projekt sieht nicht nur die Konzeptentwicklung für eine Energiegemeinschaft vor, die auf Versorgungssicherheit und Integration von Heizenergie ausgerichtet ist, sondern auch deren Umsetzung vor Ort. 2024 soll der Vollausbau abgeschlossen sein.

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