Information, Transparenz, Dialog: NutzerInnen im Zentrum der Energiewende
Neben dem technologischen Aspekt steht ein Faktor im Zentrum von Forschungsprojekten im Energiebereich: das Werben um Akzeptanz bei den AnwenderInnen.
Um erneuerbare Energiequellen auf breiter Basis nutzen zu können, müssen die Energiesysteme von Grund auf neu gedacht werden. Optimierungen und Effizienzsteigerungen sind zu einem großen Anteil von den Mitteln der Digitalisierung abhängig. Sie statten die Netze mit neuen Funktionen aus, machen sie intelligenter und resilienter. Doch die smarte Automatisierung benötigt eine wichtige Ressource – Daten. Haushalte und Betriebe sollen kontinuierlich Informationen über ihre Energienutzung preisgeben. Und nicht nur das: Auch die Steuerung smarter Haustechnik-Anlagen soll zum Teil an die Energieversorger ausgelagert werden.
Kein Wunder, dass die Bevölkerung derartigen Neuerungen zu einem gewissen Grad skeptisch gegenüber steht. Deshalb ist es heute Standard, in den Projekten im Rahmen einer Begleitforschung die Frage der Akzeptanz in jeden Entwicklungsschritt miteinzubeziehen. Nicht nur umfassende Information und Transparenz gegenüber den Nutzern ist wichtig. Meinungen und Einstellungen müssen in der Umsetzung der Projekte auch tatsächlich berücksichtigt werden. Die Menschen müssen das Gefühl haben, gehört zu werden.
Welchen Stellenwert eine gute Informationspolitik bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten hat, zeigt etwa das Projekt ThermaFLEX. Im Zuge des Projekts soll in Leibnitz in der Steiermark ein intelligentes Fernwärme-System gestaltet werden, das zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie (Biomasse und Abwärmenutzung) gespeist wird. Zwei bestehende Wärmenetze werden dabei zusammengeschlossen und um Speicheranlagen ergänzt, um das Gesamtsystem flexibler zu machen. „Ein gelungener Fernwärmeausbauprozess erfordert auch hinsichtlich Kundenakzeptanz und Nutzerintegration begleitende Schritte“, betont Projektleiter Joachim Kelz vom Forschungsunternehmen AEE INTEC. „Dazu werden die BürgerInnen in und rund um Leibnitz periodisch durch regionale Printmedien über den Ausbau informiert. Weiters wurde eine Informationsbroschüre gemeinsam mit den lokalen Fernwärmenetzbetreibern und der Stadt Leibnitz entwickelt, die die wichtigsten Fragen beantwortet. Zudem können bei lokalen Veranstaltungen Informationen direkt mit den jeweiligen Fernwärmenetzbetreibern ausgetauscht werden.“
Angst vor Fremdbestimmung
Je stärker bei den Maßnahmen in das Energiemanagement einzelner Haushalte eingegriffen werden muss, desto höher ist auch der Aufklärungsbedarf. Im Projekt Heat Water Storage Pooling wird beispielsweise Überschussenergie aus Windkraft dazu verwendet, die dezentralen Heißwasserspeicher in Haushalten zu versorgen. Man geht davon aus, dass allein in der Windregion Nordburgenland, wo das Projekt umgesetzt wird, 10.000 thermische Kleinspeicher als theoretisches Potenzial vorhanden sind. „Immerhin wollen wir mit unserer Technologie auf die Warmwasseraufbereitung im Privathaushalt zugreifen. Das könnte Angst vor Fremdbestimmung und Kontrollverlust auslösen“, räumt Projektleiterin Patricia Jasek von der Forschung Burgenland ein. „Um diese Befürchtungen gar nicht erst aufkommen zu lassen, setzen wir im Projekt auf umfassende und detaillierte Information im Vorfeld. Jede technische und organisatorische Maßnahme wird ausführlich besprochen, Meinungen und Vorbehalte werden systematisch erhoben. Am Ende evaluieren wir nicht nur, ob technologische Ziele erreicht wurden, sondern auch wie zufrieden die Anwender mit ihrer Lösung sind.“
Ein wichtiges Argument ist, dass natürlich auch die NutzerInnen Vorteile lukrieren, wenn sie ihre Daten verfügbar machen. „Gerade im Energiesystem können die KundInnen von einer Datenerhebung profitieren. Einerseits führen die Kosteneinsparungen im Gesamtsystem zu günstigeren Tarifen, andererseits entsteht auch bei den KundInnen selbst ein stärkeres Bewusstsein für das eigene Verbrauchsverhalten“, erklärt etwa der Projektleiter von Open Data Plattform der TU Wien Georg Lettner. In diesem Projekt werden automatisierte Analysen von detaillierten Nutzerdaten vorgenommen, um Energieschwankungen kurzfristig vorherzusagen und Lastspitzen effizient ausgleichen zu können. Im Projekt betont man die Eigenverantwortung der NutzerInnen. „Gerade eine offene Datenplattform soll die Skepsis zur Datenerfassung und zum Datenaustausch überwinden, da die TeilnehmerInnen selbst bestimmen können, welche Daten sie zur Verfügung stellen wollen“, sagt Lettner. „Natürlich lebt aber auch so eine Plattform von vielen TeilnehmerInnen. Diese von dem Mehrwert und den Vorteilen solch einer offenen Datenplattform zu überzeugen, ist eines der großen Ziele in diesem Projekt.“
Die Beispiele zeigen, dass eine technologische Transformation nicht unabhängig von den Menschen vonstattengehen kann, die diese letztendlich betrifft. Eine NutzerInnen-zentrierte Entwicklung ist das wertvollste Mittel, die Akzeptanz sicherzustellen. Letztendlich sollen die AnwenderInnen das – berechtigte – Gefühl haben, zur Energiewende beigetragen zu haben.